Über den Stadtteil

Stuttgart-West wurde im Jahr 2001, wie alle Stuttgarter Stadtbezirke, in Stadtteile untergliedert, und bekam neun davon. In der April-Ausgabe 2015 des West-Blättle wurde der Stadtteil "Hasenberg" vorgestellt. Den Artikel hat uns Herr Kress freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

"Hasenberg" – Hanglage mit viel Grün

Während wir heutzutage auf den Hasenberg gehen, wie Helmut Dölker in seinem Stuttgarter Flurnamenbuch feststellt, ging man früher "den Hasenberg nauf", denn eigentlich bezeichnet der 1334 erstmals schriftlich überlieferte Flurname Hasenberg nur den nördlichen Hang des gegen den Reinsburghügel (Karlshöhe) vorspringenden Bergrücken, also den Bereich zwischen Hasenbergsteige und Rotebühlstraße. Vor allem die Weingärtner gingen auch "in den Hasenberg" zu ihren Reben, die aber kein allzu edles Gewächs geliefert haben dürften, anders als auf der Seite nach Heslach, wo bis heute edle Reben wachsen. So kommen die Trauben, aus denen das städtische Weingut zusammen mit anderen Stuttgarter Lagen einen mehrfach ausgezeichneten edlen Tropfen kreiert, streng genommen nicht vom Hasenberg, sondern vom Gewann Afternhalde, was allerdings wohl als weniger verkaufsfördernd angesehen wurde.   

Beginnen wir unsere Wanderung entlang der Grenze des Stadtteils "Hasenberg" vor dem früheren Kiosk am Leipziger Platz. Im Internet können Sie sich die Grenze des Stadtteils unter www.stuttgart.de/stadtplan nachverfolgen, indem sie bei Inhalte "Bezirke" sowie dort "Stadtteile" anklicken. Die Stadtteilgrenze führt vom Leipziger Platz entlang der Rotenwaldstraße hoch bis zur Oberen Paulusstraße. Vor dem ersten Haus läuft die Grenzlinie auf der vor vielen Jahrzehnten geplanten, aber nie gebauten "Scheffelstaffel" den Hang hinunter, trifft bei der Scheffelstraße die Vogelsangstraße, läuft auf dieser weiter, um über die dort nur ansatzweise vorhandene Herderstaffel hinauf bis zum Ende der Oberen Paulusstraße an die Herderstraße zu führen. Entlang der Rotenwaldstraße verläuft die Grenzlinie weiter, am Westbahnhof vorbei, der selbst nicht mehr zum Stadtteil "Hasenberg" gehört. Damit wäre geklärt, warum die Gelben Säcke vor den früheren Bahnwohnhäusern in der Regel immer in der Woche vor dem übrigen Westen abholbereit auf den Baumbeeten an der Rotenwaldstraße liegen: Im Stadtteil "Kräherwald" werden die Gelben Säcke früher abgeholt.

Die Grenzlinie folgt der Rotenwaldstraße in der großen Kurve über den Hasenbergtunnel weiter und führt dann am Ende der hangseitigen Bebauung am Waldrand hinauf zur Hasenbergsteige, im letzten Stück der Buchenhofstaffel folgend. Nach einem Schlenker bis zum Ende der Hasenbergsteige verläuft die Grenze entlang der Zufahrt zum Waldhaus, um dann teilweise auf dem danebenliegenden öffentlichen Hangweg bzw. entlang der Waldgrenze hinunter zum Blauen Weg zu führen. Auf diesem geht es zurück und die Hasenbergsteige hinunter bis zu den Häusern Nr. 44 und 42A-C, zwischen denen die Grenzlinie talwärts zur Reinsburgstraße verläuft, die sie zwischen den Häusern Nr. 103 und 101, gegenüber der Seyfferstraße, trifft. Die Grenze führt auf der Reinsburgstraße wieder hinauf bis zur Rotebühlstaffel, von wo sie hinter den Häusern mit gerader Hausnummer bis zu der kleinen namenlosen Verbindungstreppe zwischen Reinsburg- und Rotenwaldstraße und dann hinunter bis zum Leipziger Platz führt. Ach hätten die Stadtplaner für die statistisch begründete Einführung von Stadtteilen doch übersichtlichere Grenzverläufe gewählt.

Statistisch gesehen, leben im Stadtteil "Hasenberg" 4555 Menschen, wie es der letzte Stuttgarter Datenkompass für die Jahre 2012/13 ausweist. Weniger gibt es in keinem der sieben Weststadtteile im Stuttgarter Kessel, denn die beiden fast unbewohnten Stadteile "Wildpark" und "Solitude" bilden natürlich einen Sonderfall. Im Stadtteil "Hölderlinplatz" sind es immerhin 160 Einwohner mehr. Einen Migrationshintergrund haben ähnlich wie dort rund 30 Prozent, im Stadtteil "Kräherwald" sind es ein paar Prozente weniger.

280 Kinder unter sechs Jahren gibt es im Stadtteil "Hasenberg" und 1003 Senioren mit 65 Jahren und älter. Beim Durchschnittsalter nimmt der Stadtteil mit 41,3 Jahren hinter "Kräherwald" (44,2) und "Hölderlinplatz" (41,5) den dritten Rang im Westen ein. 29,9 Prozent der Einwohner sind evangelisch (dritter Platz hinter "Kräherwald" und "Hölderlinplatz"), 27,1 Prozent sind katholisch (nur im Stadtteil "Rotebühl" mehr).

Wer einmal hier wohnt, zieht ungern weg, denn die Wegzugrate beträgt 72 je 1000 Einwohner, nur im "Hölderlinplatz" sind es weniger mit 67 und im "Kräherwald" mit 56. Dies ist kein Wunder, denn die 43,1 qm Wohnfläche pro Person, ebenso viel wie "Hölderlinplatz", werden nur noch vom "Kräherwald" (50,0) übertroffen. Auch beim Sterben (5,9 je 1000 Einwohner) liegen nur der "Rotebühl"(5,2) und "Vogelsang"(4,5) niedriger. Beide Stadtteile toppen deshalb auch den Geburtenüberschuss vom "Hasenberg" (6,4) mit 6,9 bzw. 9,4 je 1000 Einwohner. Die 2670 Haushalte im Stadtteil bestehen statistisch aus 1,7 Personen. In fast 60 Prozent der Haushalte lebt nur eine Person, in 18,2 sind es drei und mehr. Nur 16,6 Prozent der Familien mit Kindern unter 18 Jahren sind alleinerziehend, was den niedrigsten Wert im ganzen Westen bedeutet.

Mit 53,8 Hektar Fläche gehört der "Hasenberg" zu den größten Stadtteilen im Westen. 51 Prozent sind Gebäude- und Frei-, 6 Prozent Erholungs- und 22,8 Prozent landwirtschaftliche Fläche, wobei hier kein anderer Stadtteil einen zweistelligen Wert erreicht. Im Stadtteil "Hasenberg" gibt es keine Kirchen, denn die katholische Kirche St. Stephan an der Rotenwaldstraße wird nicht mehr für Gottesdienste genutzt und die evangelische Kirche, die nach dem Krieg für die Grünanlage Reinsburg- / Röckenwiesenstraße geplant war, wurde nie gebaut. Wussten Sie, dass es im Stadtteil "Hasenberg" gleich zwei Bahntunnel gibt? Das sind auf der 1879 eröffneten Gäubahnstrecke der Hasenbergtunnel und tief darunter der 1985 eröffnete 5,5 Kilometer lange S-Bahn-Tunnel von den Stationen "Schwabstraße" nach "Universität" und "Vaihingen".

Durch die Hanglage gibt es im "Hasenberg" viele Stäffele, etwa von der Oberen Paulusstraße hinunter zur Vogelsangstraße oder die Bismarckstaffel an der Reinsburgstraße. Nicht zu vergessen ist die Buchenhofstaffel, zweifellos die längste im Stadtteil, die besonders für sportliche Mitmenschen ein "Muss" ist, dann aber bitte mit Tempo. Alle Staffeln bieten interessante Ausblicke auf die Stadt und zum gegenüberliegenden Kesselrand. Warum im Stadtplan allerdings die Hasenbergstaffel als touristisch sehenswerte Staffel hervorgehoben wird, erschließt sich dem Schreiber nicht so ganz, denn das Sträßlein endet heute doch nach einem kurzen Stück, ohne als öffentliche Staffel weiterzuführen, oder nicht?

Gerade die ansteigenden Straßen und Staffeln machen für manche Mitbürger das Wohnen hier schwierig, zumal die vielen kleinen Lebensmittelgeschäfte, die es früher fast an jeder Ecke gab, längst verschwunden sind und teilweise zu Garagen, Wohnungen oder Büros wurden. Vor einem Jahr hat sich deshalb für alle Generationen das Quartiersprojekt "Hasenberg im Blick" gebildet, das sich den Themen, welche die Menschen im "Hasenberg" bewegen, annehmen sowie eine gute Nachbarschaft mit Netzwerken schaffen will. Näheres erfahren Sie u.a. im Internet unter www.stuttgart-hasenberg.de.

Die Hanglage und die Tatsache, dass ein Drittel aller Häuser Ein- und Zweifamilienhäuser sind, sorgt mit den Gärten dafür, dass der Stadtteil viel Grün hat. Aus Gründen der Frischluftzufuhr hat die Stadt im Zuge der Aufstellung des Rahmenplans Halbhöhenlage sogar einige Baufenster oberhalb der Rotenwaldstraße wieder zurückgenommen. Und erfreulich ist es, dass es etwa unterhalb der Röckenwiesen- und oberhalb der Rotenwaldstraße, sowie vor allem am Blauen Weg sogar Flächen gibt, die als Biotope ausgewiesen sind, um Flora und Fauna zu schützen.

Der zweifellos schönste Bereich im Stadtteil "Hasenberg" ist oben an der Hasenbergsteige. Das unscheinbare, verträumte Gartenhaus Hasenbergsteige Nr. 60 gehört zu den ältesten Kulturdenkmälern im ganzen Stuttgarter Westen. Es stammt aus dem 18. Jahrhundert. Hier soll sich einst die protestantische Opposition gegen den damaligen katholischen Herzog Carl Alexander von Württemberg getroffen haben. Wenige Schritte weiter geht es in die 1876/77 vom Verschönerungsverein entlang der Steige angelegte Hasenberganlage, deren Anfang ein Skulpturenpark mit Werken von Otto Herbert Hajek bildet. Im nahen Haus Nr. 65 wohnte und arbeitete der Künstler bis zu seinem Tod im Jahr 2005. Seither steht es, mittlerweile verkauft, leer. Dabei war es unter Hajek zum Treffpunkt von Künstlern, Politikern und Wirtschaftlern geworden, auch Bürger konnten immer wieder das Atelier besuchen. Längst verschwunden ist auch das einst beliebte Hotel Buchenhof. Und was mit dem gerade versteigerten Waldhaus passiert, das seit 2008 leer steht, wird sich zeigen.

Auf geschwungenen Wegen geht es vorbei am Denkmal von Wilhelm Hauff zum Hasenbergturm, der 1879 eröffnet worden war. Aus 36 Meter Höhe konnte man damals den Blick auf Stuttgart genießen. Doch 1943 wurde der Turm gesprengt, damit er feindlichen Bombern nicht zur Orientierung dienen konnte. Weil der aufgeschüttete Birkenkopf von höherer Warte aus den Blick auf die Stadt erlaubt, wurde der Turm nicht mehr aufgebaut. So markiert sein mittlerweile wie ein Blumentopf bewachsener Stumpf heute den höchsten Punkt des liebenswerten Stadtteils "Hasenberg".

Wolfgang Kress
Erschienen im West-Blättle April 2015